Am 8. Mai 2023 fand vor dem Freiburger Landgericht ein Prozess gegen einen Freiburger Linken statt. Im Zusammenhang mit seiner Teilnahme an einer Nachttanzdemo im Oktober 2019 wurde dieser Opfer von Polizeigewalt. Eine Anzeige gegen den Angreifer führte zu einer Gegenanzeige durch den Polizeischläger. Schlussendlich stand nicht der besagte Polizist vor Gericht, sondern der Betroffene. Von der für linkspolitische Delikte zuständigen Schwerpunktstaatsanwaltschaft aus Karlsruhe wurde eine Haftstrafe gefordert. Im ersten Prozess vor dem Amtsgericht wurde diese in eine Geldstrafe umgewandelt. Die Staatsanwaltschaft ging daraufhin in Berufung. Der Betroffene wurde von dem Schöffengericht letztendlich zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen in Höhe von 30€ verurteilt.

Der verhandelte Vorfall liegt inzwischen mehr als dreieinhalb Jahre zurück und ereignete sich bei der Nachttanz-Demonstration im Rahmen der “Squatting Days” im Oktober 2019. Rund zehn Tage lang fanden verschiedene Aktionen um die Themen Mieten- und Häuserkämpfe statt. Auch ein enormes Polizeiaufgebot konnten damals mehrere Besetzungen, Demonstrationen und Sachbeschädigungen nicht verhindern. Im Anschluss wurde unzählige Ermittlungsverfahren eröffnet, die jedoch meist ergebnislos verliefen, kleine Geldstrafen nach sich zogen oder in Freisprüchen endeten.

Am Rande dieser Nachttanz-Demonstration wurde ein leerstehendes Gebäude in der Kronenstraße besetzt. Unter durchgehendem Abfilmen der Demo-Teilnehmer:innen begannen die eingesetzten Polizist:innen die Demonstration, teils mithilfe von Schlagstöcken, von dem besetzten Gebäude weg abzudrängen. Der Angeklagte sah wie die teilweise sehr jungen Teilnehmer:innen massiv von Polizist:innen geschlagen und geschubst wurden. Er stellte sich daraufhin zwischen Polizeikette & Demonstration und versuchte deeskalierend auf die eingesetzten Beamt:innen einzuwirken. Ein behelmter Polizist versetzte dem Angeklagten daraufhin unvermittelt einen Kopfstoß, welcher zu einer Platzwunde führte. Im Nachgang an die Demonstration zeigte der Betroffene den Beamten wegen Körperverletzung im Amt an. Das Ermittlungsverfahren wurde recht schnell eingestellt und im Gegenzug erfolgte eine Anzeige gegen den Betroffenen wegen Raub (§ 249 StGB) und tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB). Von den eingesetzten Beamt:innen wurde behauptet, der Angeklagte habe dem Polizeischläger seinen Schlagstock entwenden wollen und ihn dabei körperlich attackiert. Der Kopfstoß sei zur Verteidigung erfolgt.

Die im Laufe der Verhandlung gezeigten Polizeivideos entlarvten die Behauptungen als Lüge: Zwar war der Angeklagte zu sehen wie er lautstark und teilweise gestikulierend vor den Polizist:innen steht. Aber ein (versuchter) Raub oder ein tätlicher Angriff war eindeutig nicht zu erkennen.

Nichtsdestotrotz forderte die Staatsanwaltschaft weiterhin eine Haftstrafe von 6 Monaten ausgesetzt auf 2 Jahre Bewährung. Die Verteidigung ihrerseits kritisierte scharf, dass vonseiten des Gerichts den Polizeizeugen unhinterfragt jedes Wort geglaubt wurde. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten aufgrund von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 133 StGB) am Ende zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen in Höhe von 30€.

Der Prozess macht nochmal deutlich, warum die Rote Hilfe in der überwiegenden Anzahl aller Fälle von einer Anzeige gegen Polizist:innen abrät: Diese werden nahezu immer eingestellt und führen in einer großen Anzahl an Fällen zu einer Gegenanzeige durch die angezeigten Polizist:innen. Vor Gericht wird Polizeizeugen zudem fast immer geglaubt. Selbst entlastende Videos führen meist nicht zu einem Freispruch. Hinzu kommt, dass der § 113 StGB eine Art “Gummiparagraf” ist, mit der eine sehr große Bandbreite an Verhalten abgeurteilt werden kann. Kommt dann noch – wie in den letzten Jahren in BaWü üblich – die politische Schwerpunktstaatsanwaltschaft aus Karlsruhe mit ihrem enormen Verfolgungseifer gegen Linke hinzu, führen solche Anzeigen fast immer zu einer Verurteilung der Opfer von Polizeigewalt. Nichtsdestotrotz bleibt das Urteil natürlich skandalös: Polizist:innen dürfen ungestraft Linke schlagen, während rein verbale Unmutsbekundungen gegen Polizeigewalt zu Geldstrafen führen.